Dienstag, 12. März 2013

Die Qual der Wahl

Man sieht Rauch aufsteigen. Als naechstes steigt einem ein merkwuerdiger Geruch in die Nase. Dass etwas in der Luft liegt, das hat man gespuert. Man hoert Schreie. Trotzdem geht man weiter. Auf einmal stehen sie da, Maenner mit Macheten in der Hand. Menschen laufen umher. Blut. Dann sieht man auch die Flammen.




...Das habe ich jedenfalls von den Wahlen in Kenia erwartet. Etwa 12 Millionen Menschen sind am 4. Maerz aufgebrochen, um 6 verschiedene Stimmen, darunter die fuer den vierten kenianischen Praesidenten, an Kandidaten zu vergeben. 2007/08 verfiel das Land in einen schlimmen Tribalismus, von Wahlbetrug war die Rede, Gewalt zwischen den verschiedenen ethnischen Gruppen brach aus [viele dieser Ethnien haben ihren Ursprung übrigens im Kolonialismus), Menschen toeteten sich gegenseitig und zuendeten die Haeuser (oder Wellblechhuetten) von Menschen mit groesserer Nase oder weniger Pigmenten oder zarteren Haenden oder was weiss ich an.
Niemand konnte voraussehen, was dieses Jahr passiert. Von vielen Einheimischen habe ich gesagt bekommen, dass es dieses Jahr weitaus schlimmer wird. Das alle gewaltbereit sind und auf das Schlimmste vorbereitet. Viele Familien haben das Land rechtzeitig verlassen. Die Regierung hat 10 Tage zwangsschulfrei verhaengt, damit auch ja alle Kinder drinnen bei ihren Familien bleiben muessen. Die 10 Tage zwangssfrei wurden auch uns Freiwilligen von AFS auferlegt. Meine Zeit in Kajiado sollte ja ohnehin Ende Februar auslaufen und meine Gastmutter aus Mombasa hatte ohnehin darauf bestanden, dass ich auf jeden Fall dort bei ihnen und nirgendwo anders bin. Also bin ich am 27. Februar in Nairobi in den Nachtbus gestiegen und war dann am 28. in Mombasa. An dem Tag habe ich noch erfolgreich mein Visum verlaengert. Danach ging dann meine persoenliche Qual los (deswegen auch der Titel des Blogs).


10 vollkommen friedliche Tage. Gut, dass die Wahlergebnisse wegen Ausfall der Technik nicht nach 48 Stunden sondern nach 6 Tagen da waren, hat die Stimmung schon etwas strapaziert. Aber hat irgendwer zur Mistgabel gegriffen, um seinen Nachbarn zu erstechen? Nein!
Mir ist bewusst, dass die Tagesschau der Meinung ist, in Mombasa sei bereits vorm Wahltag ein grosses Blutbad angerichtet worden - In der Tat, die Polizei hat sich eine Schiesserei mit Mitgliedern der, naja, ich will nicht sagen Terrororganisation, aber Terrororganisation, MRC geliefert wo es tatsaechlich Tote zu beklagen gab. Mit den Wahlen hatte das aber direkt kein bisschen zu tun.
Und dass dann im Anschluss an das Ergebnis die Polizei in Kisumu noch mit Traenengas auf einige Demonstranten losgehen musste war eigentlich auch weder spektakulaer noch unerwartet.


Ich haette also 10 Tage lang herumreisen koennen - wie die ganzen anderen Freiwilligen zum Beispiel in Tansania. Anstattdessen habe ich drinnen (abends auch draussen vor der Tuer) gesessen und gelesen oder dabei zugeschaut, wie die Wahlergebnisse langsam, seehr langsam, eintrudeln.
Jetzt sitze ich wieder im Buero in Mombasa und widme mich meinen Aufgaben. Aber so ganz ist die Aufregung der Wahlen noch nicht vorbei - Raila, der nun schon zum dritten Mal nicht Praesident geworden ist, ist vors Gericht, denn es habe wohl Unregelmaessigkeiten beim Auszaehlen der Stimmen gegeben. Zugegeben, dass Uhuru Kenyatta wirklich gewinnt, und dann auch noch im ersten Wahlgang, damit hatte eigenltlich niemand ausser er selbst gerechnet. Aber andererseits - ich moechte ihm und seinen Anhaengern und Waehlern nichts unterstellen! - sind 4100 Stimmen, die die 0,07 Prozentpunkte ueber 50 ausmachen nicht viel.
Ich bin auf jeden Fall gespannt auf weitere Entwicklungen. Ich vermute zwar, dass der Supreme Court Railas Klage abwimmeln wird - waere ja auch zu Schade um den Frieden, der ist schliesslich echt super - aber ein anderes Gerichtsverfahren wird sicherlich noch spannend: Uhuru Kenyatta und sein Vize William Ruto sind naemlich beide vom ICC (genau, DEM internationalen Gericht!) wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit angeklagt. Sie haetten wohl die Menschen damals, bei den letzten Wahlen, zu den Gewalttaten angestachelt und aufgerufen...
Dass sie dennoch eine Mehrheit erlangt haben verstehe ich nicht. Auch das neue politische System, das nun endlich mit der neuen Verfassung, fuer die 2010 abgestimmt worden ist, inkraft tritt, verstehe ich nicht wirklich. Aber das verstehen die meisten Kenianer glaube ich auch nicht. Wie das alles funktionieren wird und wie man ein Land, in dem die Stromversorgung nie zu 100% gewaehrleistet ist, ueber Skype regiert, wahrend man in Den Haag ist, kann ich mir auch noch nicht so richtig vorstellen.
Wir werden sehen, was die Nahe Zukunft bringt.


Liebe Gruesse aus Mombasa,
eure Tabea


PS: Uhuru hat im Wahlkampf kostenlose, solarbetriebene Laptops fuer jeden Form1-Schueler (entspricht der 9. Klasse) versprochen.
PPS: Ich moechte noch anmerken, dass Mombasa zwar um die Wahlen herum friedlich ist, man sich aber nie in falscher Sicherheit waegen sollte. Gewalttaten koennen naemlich auch hier vorkommen. Auch gegenueber Menschen, die man kennt und die man sehr gerne hat. Und die kann man dann nicht rueckgaengig machen.

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